„Was isst man denn so in Malaysia?“ In einem Land, in dem es noch Dschungel gibt, muss das Essen doch exotisch sein. Den Mittagstisch dominieren Hühnchen und Reis. Und Hühnchen mit Reis. Wer was wagen will, nimmt Reis mit Hühnchen. Unter den Arbeitskollegen ist es der Running Gag. „Na, was essen wir heute? - Hm. Vielleicht... Chicken and Rice?“ Ich hab im Bürogebäude den Salatmann meines Vertrauens und bin fein raus. Tatsächlich aber öffnen sich hier schon auch außergewöhnliche kulinarische Türen, wenn man die Kantinen und westlichen Cafés verlässt - und sich vor allem auf Märkten rumtreibt. Wet Market heißt es in Asien, wenn ein Markt frische Produkte anbietet und das kühlende Eis aber leider so schnell wegschmilzt, dass der Boden eine einzige Wasserlache ist. Hier lohnen sich Gummistiefel, zumal sich die Pfützen mit dem Blut der ausgenommenen Tiere mischen und die Rückstände an den Schuhen doch sehr unangenehm sein können. Am Wochenende war ich auf dem Chow Kit Market, den auch Malayen für ihre Wochenendeinkäufe nutzen. Mein Arbeitskollege muss Zutaten für sein Partybuffet am Abend kaufen, also glitschen wir uns zunächst durch die Fisch- und Fleischabteilung, die am Eingang des Markts liegt. Und wundern uns über drei lebende Welse, die sich ganz ohne Wasser in einer Plastikschale winden. Käufer sind weit und breit nicht in Sicht. Da habens die tiefgekühlten Garnelen daneben irgendwie besser. Im Vergleich zu den zentralasiatischen Basaren sind die Gänge hier vollgestopfter, alles wirkt etwas chaotischer und es fehlen die Berge an Nüssen und Trockenfrüchten. Die frischen Früchte aber sind paradiesisch. Was bei uns nur in ausgewählten Feinkostabteilungen zu horrenden Preisen angeboten wird, gehört hier zum täglichen Vitaminschub: Drachenfrucht, Mangosteen und Jackfruit sind meine Highlights. Die letzten beiden Früchte habe ich hier das erste Mal gegessen. Beide verbunden mit wunderbarer Ahnungslosigkeit, wie man sie überhaupt isst. Denn meine Taktik, mich mit unbekanntem Obst vertraut zu machen, besteht darin, dass ich jedes Mal, wenn ich bei meinem Fruchthändler hier im Viertel bin, ein Produkt kaufe, das ich noch nie gesehen habe und dessen Namen ich nicht kenne. Googlen gilt nicht! Ich genieße ich es, das virtuelle Wissen zu ignorieren und mich ganz unbedarft den exotischen Köstlichkeiten zu nähern. Das weckt den Entdeckergeist und macht sogar schnödes Obstessen zum Erlebnis. Los ging es mit der Mangosteen, als Pendant zur stinkenden Durian (König der Früchte) übrigens die Königin der Früchte genannt. Sie kommt als kleine, bräunliche Kugel mit zwei strunkartigen Blättern obendrauf daher. Nichtsahnend gekauft, frage ich mich zu Hause - muss ich die jetzt schälen? Oder kann ich die aufschneiden, ohne den essbaren Teil zu zerstören? Sind da vielleicht unkaputtbare Kerne wie in einer Avocado drin? Ich ritze erstmal vorsichtig die Schale an. Sie ist etwa 3mm dick und gibt leicht nach. Ich luge hinein und entdecke weißes Fruchtfleisch wie bei einer Litschi. Also entscheide ich mich dafür, die Frucht aufzubrechen. In der unteren Hälfte bleiben sechs kleine Segmente haften, von der Größe etwa wie Mandarinenstückchen, eher noch kleiner; durch das weiße Äußere schimmert ein brauner Kern. Ich pule sie einzeln raus und lutsche das süßliche Fruchtfleisch runter. Ganz schön mühsam, aber lecker! Säuerlich, frisch, ganz mein Geschmack. Zu dem Zeitpunkt hatte ich schon den Namen wieder vergessen, lasse mich aber am nächsten Tag von meinen malaiischen Arbeitskollegen aufklären, dass es eine Mangosteen war. Jetzt kann ich auch mal googlen - und stelle fest, dass ich die Kerne hätte mitessen können! Als mir auf dem Markt also ein Händler eine aufgebrochene Frucht entgegenstreckt, damit ich mich von der Qualität überzeugen kann, zerkaue ich vorsichtig das ganze Stückchen im Mund. Tatsächlich, die Kerne sind so weich, die gehen glatt unter. Die landet nochmal im meinem Einkaufsbeutel. Die Jackfruit (hab leider kein eigenes Bild) kauft man bereits verzehrfertig. So oft ich mich über foliertes Obst in Plastikschalen aufrege (MANDARINEN! Man kann hier abgepackte Mandarinenfilets kaufen. DIE HABEN EINE NATÜRLICHE VERPACKUNG!), bei Jackfruit drücke ich ein Auge zu. Die gigantische Frucht von der Größe eines Basketballs ist schwierig auszunehmen. Die Schale ist dick und stachelig, die Fruchtstücke müssen herausgepult und gesäubert werden. Die Mühe machen sich auch die Malayen nicht, niemand kauft eine ganze Frucht. Eine Portion besteht aus maximal acht Stückchen. Die dunkelgelben Filets haben eine fast ledrige Oberfläche und saften auch beim Essen nicht. Der Geschmack ist herb, für eine Frucht eher ungewöhnlich, aber mir gefällts. Den länglichen Kern im Inneren kann man nicht mitessen. Weil die Frucht auch intensiv und eher herb riecht, sollte man die offene Packung nicht zu lange im Kühlschrank lassen, sonst riecht alles danach. Jackfruit ist quasi der Käse unter den Fruchtsorten hier...
Und die Drachenfrucht ist zwar ein unhandlicher Snack, aber dafür ziemlich lässig: Sie lässt sich einfach aus der Schale löffeln, die melonenartige Konsistenz und die Stracciatella-Optik sorgen dafür, dass man bei gekühlten Früchten das Gefühl hat, ein Eis zu essen. Ansonsten landet noch regelmäßig Passionsfrucht in meinem Müsli, die ich in Deutschland bisher glaube ich nur getarnt als Split-Eis konsumiert habe. Luxus! Leider habe ich in meinem Obst- und Gemüserausch am Wochenende vergessen, dass ich ab morgen auf einwöchiger Drehreise bin. Also werde ich vor dem Abflug meine Fundstücke im Büro verschenken müssen.
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